Deutscher Verband für Angewandte Geographie e.V.

DVAG-Positionspapier: Mit globaler Gerechtigkeit gegen Klimakrise und Diskriminierung

Das DVAG-Posi­ti­ons­pa­pier wur­de initi­iert und erstellt durch die DVAG-Arbeits­grup­pe „Kli­ma­kri­se, Dis­kri­mi­nie­rung und glo­ba­le Gerech­tig­keit“ in Zusam­men­ar­beit der Arbeits­krei­se Umwelt, Kli­ma & Risi­ko sowie Inter­na­tio­na­le Zusam­men­ar­beit. Mit dem Posi­ti­ons­pa­pier möch­te der DVAG dar­auf auf­merk­sam  machen, dass gera­de die Ange­wand­te Geo­gra­phie einen wich­ti­gen Bei­trag zur Lösung kom­ple­xer Her­aus­for­de­run­gen im Kon­text Kli­ma­kri­se, Dis­kri­mi­nie­rung und glo­ba­ler Gerech­tig­keit leis­ten kann und muss.

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Mit globaler Gerechtigkeit gegen Klimakrise und Diskriminierung: Eine zentrale Aufgabe für die Angewandte Geographie

1. Ein­lei­tung: 50 Jah­re UN-Kon­fe­ren­zen und Ver­trä­ge gegen Kli­ma­kri­se, für Arten­viel­falt und Umweltschutz

Im Jahr 1972 fand in Stock­holm die ers­te UN- Kon­fe­renz „Umwelt und Ent­wick­lung“ unter den Vor­aus­set­zun­gen des kal­ten Krie­ges und einer wenig erfolg­rei­chen Deko­lo­ni­sie­rung statt. Schon in den 1960 Jah­ren war in einer Viel­zahl Ver­öf­fent­li­chun­gen vor den Fol­gen der Umwelt­ver­schmut­zung, des Arten­ster­bens, des star­ken Bevöl­ke­rungs­wachs­tums und des Nord-Süd-Armuts­ge­fäl­les gewarnt wor­den. Die UN-Kon­fe­renz für Umwelt und Ent­wick­lung in Rio de Janei­ro 1992 führ­te zu den ers­ten inter­na­tio­na­len Umwelt­ver­trä­gen. Durch zuneh­men­de natio­na­le und inter­na­tio­na­le Ver­tei­lungs-Unge­rech­tig­kei­ten, den sich ver­schär­fen­den Kli­ma­not­stand, unge­lös­te welt­wei­te Dau­er­kon­flik­te und wirt­schaft­li­che Fol­gen der Coro­na-Pan­de­mie hat sich die Umwelt- und Ent­wick­lungs­si­tua­ti­on im glo­ba­len Süden wei­ter verschlechtert.

In Anbe­tracht der sich abzeich­nen­den Kli­ma­kri­se bekann­ten sich die Ver­trags­staa­ten auf der 26. Kli­ma­kon­fe­renz 2021 im soge­nann­ten „Kli­ma­pakt von Glas­gow“ dazu, dass die Fol­gen des Kli­ma­wan­dels bei Ein­hal­ten des 1,5‑Grad-Limits wesent­lich gerin­ger in die Gesell­schaf­ten wir­ken wer­den, als bei einem Tem­pe­ra­tur­an­stieg um zwei Grad. Trotz­dem fol­gen die­sem Beschluss kei­ne aus­rei­chen­den Ein­spa­rungs­zie­le. Die zuneh­men­de Häu­fung und Inten­si­tät von Extrem­wet­ter­er­eig­nis­sen bewir­ken kri­sen­haf­te Lebens- und Umwelt­be­din­gun­gen, an die sich die Gesell­schaf­ten anpas­sen müs­sen, um die Res­sour­cen für das Wohl­erge­hen der heu­ti­gen und kom­men­den Genera­tio­nen sicher­zu­stel­len. Wei­ter­hin hat sich die Staa­ten­ge­mein­schaft auf 17 soge­nann­te „Sus­tainab­le Deve­lo­p­ment Goals 2030“ geei­nigt. Deren Errei­chen war immer unsi­cher und ist unter ande­rem durch die glo­ba­le Coro­na-Pan­de­mie noch unwahr­schein­li­cher geworden.

Die­ses Posi­ti­ons­pa­pier möch­te dar­auf auf­merk­sam machen, dass gera­de die Ange­wand­te Geo­gra­phie einen wich­ti­gen Bei­trag zur Lösung kom­ple­xer Her­aus­for­de­run­gen im Kon­text Kli­ma­kri­se, Dis­kri­mi­nie­rung und glo­ba­ler Gerech­tig­keit leis­ten kann und muss.

2. Die Glo­ba­le Krisensituation

Im Fol­gen­den wird das Zusam­men­wir­ken von Kli­ma­kri­se, Dis­kri­mi­nie­rung und die dar­aus fol­gen­de Glo­ba­le Unge­rech­tig­keit beschrie­ben und wie die Ange­wand­te Geo­gra­phie dabei hel­fen kann die Zusam­men­hän­ge zu erklä­ren und zu Lösun­gen beizutragen.

2.1 Öko­lo­gi­sche Ausgangssituation

Durch den jahr­zehn­te­lan­gen, von Men­schen ver­ur­sach­ten Aus­stoß von Treib­haus­ga­sen und deren Anrei­che­rung in der Atmo­sphä­re ver­än­dert sich unser Welt­kli­ma schon jetzt rasant. Dies hat schwer­wie­gen­de Aus­wir­kun­gen auf alle Sphä­ren unse­res Öko­sys­tems und macht die Kli­ma­kri­se zu einer exis­ten­zi­el­len Bedro­hung! Dabei sind jedoch sowohl die Ursa­chen, als auch die Fol­gen des Kli­ma­wan­dels glo­bal sehr ungleich ver­teilt. Die größ­te Her­aus­for­de­rung bei der Bekämp­fung des Kli­ma­wan­dels sind die Rück­kopp­lungs­ef­fek­te zwi­schen ein­zel­nen Pro­zes­sen, die sich gegen­sei­tig ver­stär­ken bzw. abschwä­chen kön­nen. So betrifft der Kli­ma­wan­del nicht nur die Luft, son­dern auch den Boden und das Was­ser. Auch die­se bei­den letz­ten Res­sour­cen sind öko­lo­gi­schem und sozia­lem Druck aus­ge­setzt und wer­den sich durch den Kli­ma­wan­del ver­än­dern. Alle drei wur­den in der Ver­gan­gen­heit von uns Men­schen als “Müll­de­po­nie” benutzt, was nicht nur uns Men­schen, son­dern auch die Bio­di­ver­si­tät gefähr­det. Beim Was­ser kön­nen wir zwei gegen­sätz­li­che Pro­zes­se beob­ach­ten: einer­seits herrscht in eini­gen Welt­re­gio­nen Trink­was­ser­knapp­heit, ande­rer­seits füh­ren das Abschmel­zen von Fest­land­eis und die ther­mi­sche Aus­deh­nung des Meer­was­sers zu einem Mee­res­spie­gel­an­stieg, der bereits jetzt Men­schen in Küs­ten­re­gio­nen und auf Inseln hei­mat­los macht. 

Klimawissenschaftler*innen haben in den letz­ten Jah­ren soge­nann­te „Tip­ping Points“ iden­ti­fi­ziert, also Kipp­punk­te, die ein Auf­hal­ten des Kli­ma­wan­dels unmög­lich machen, dar­un­ter auch das Tau­en des Per­ma­frosts und der Ver­lust des Grön­land-Eis­schilds. Obwohl uns die Risi­ken und die Angriffs­punk­te bekannt sind, fehlt ein enga­gier­tes Vor­ge­hen, um ein Über­schrei­ten die­ser Kip­punk­te zu ver­hin­dern. Ein wei­te­rer Kri­tik­punkt liegt im man­geln­den Zusam­men­den­ken von Bio­di­ver­si­täts­ver­lust und Kli­ma­kri­se. Die Aus­wir­kun­gen des Kli­ma­wan­dels tref­fen nicht nur uns Men­schen, son­dern auch alle ande­ren Lebe­we­sen auf die­sem Pla­ne­ten. Wir ver­ges­sen lei­der viel zu häu­fig, dass die Arten­viel­falt einen direk­ten Ein­fluss auf unse­re Lebens­qua­li­tät hat. Kli­ma­schutz und Arten­schutz gehen Hand in Hand und soll­ten nicht gegen­ein­an­der aus­ge­spielt werden.

2.2 Sozia­le und öko­no­mi­sche Ausgangssituation

Die sys­te­mi­sche Betrach­tung von phy­si­schen und sozia­len Fak­to­ren zeich­net uns Geograph*innen maß­geb­lich aus. Um glo­ba­le Unge­rech­tig­kei­ten im Kon­text der Kli­ma­kri­se zu erfas­sen, ist es wich­tig einen Blick auf die kom­ple­xen sozia­len Aus­wir­kun­gen auf räum­li­cher und zeit­li­cher Ebe­ne sowie in Bezug auf sozia­le Grup­pen und glo­ba­le öko­no­mi­sche Sys­te­me, wie den Finanz­markt, zu wer­fen. Zum bes­se­ren Ver­ständ­nis wer­den vor­ab drei Per­spek­ti­ven der Gerech­tig­keit defi­niert (nach Impuls­re­fe­rat von S. Becker, 14.11.2021):

  • Die Pro­zess-Gerech­tig­keit bezieht sich auf die fai­re Aus­ge­stal­tung von Pro­zess­ab­läu­fen und Beteiligungsprozessen.
  • Die Ver­tei­lungs-Gerech­tig­keit besagt, dass Kos­ten und Nut­zen fair ver­teilt wer­den.
  • Die Aner­ken­nungs-Gerech­tig­keit for­dert die Aner­ken­nung von Rech­ten und Ansprü­chen ein­zel­ner Gruppen.

Die Glo­ba­le Gerech­tig­keit fasst die­se drei Per­spek­ti­ven zusam­men und for­dert die fai­re Ver­tei­lung von Res­sour­cen, Rech­ten und Ent­wick­lungs­chan­cen im glo­ba­len Kon­text. Hier­auf basie­rend wird im Fol­gen­den das der­zei­ti­ge Span­nungs­feld von Kli­ma­kri­se, Dis­kri­mi­nie­rung und glo­ba­ler Unge­rech­tig­keit als Fol­ge his­to­ri­scher Ent­wick­lun­gen und als Zusam­men­wir­ken phy­si­scher, sozia­ler und öko­no­mi­scher Sys­te­me skizziert.

Räum­li­che Dimen­si­on: Der Aus­stoß von Treib­haus­ga­sen erfolgt lokal, wäh­rend die Aus­wir­kun­gen glo­bal spür­bar sind, wodurch eine Ent­kopp­lung von Ver­ant­wor­tung und Wir­kung erfolgt (Ver­tei­lungs­ge­rech­tig­keit). Dass dies sich ins­be­son­de­re ent­lang der Trenn­li­nie Glo­ba­ler Norden/Globaler Süden for­miert, geht auf die post­ko­lo­nia­le Struk­tu­rie­rung der Welt zurück. Eine dar­aus ent­stan­de­ne impe­ria­le Lebens­wei­se des Glo­ba­len Nor­dens basiert auf der Aus­la­ge­rung nega­ti­ver Umwelt­ef­fek­te (z.B. „Export“ von Müll, Nut­zung bil­li­ger Arbeit im Glo­ba­len Süden). Trotz die­ser glo­ba­len Dimen­si­on agie­ren Entscheidungsträger*innen vor allem auf natio­na­len Maß­stabs­ebe­nen (z.B. natio­na­le CO2-Bud­gets) (Pro­zess-Gerech­tig­keit). 

Zeit­li­che Dimen­si­on: Hin­zu kommt unse­re his­to­ri­sche Ver­ant­wor­tung im Glo­ba­len Nor­den, die sich einer­seits aus der Kolo­nia­li­sie­rung des Glo­ba­len Südens ergibt und ande­rer­seits aus den höhe­ren Treib­haus­gas-Emis­sio­nen durch die frü­he­re Indus­tria­li­sie­rung des Glo­ba­len Nor­dens. Dar­aus ergibt sich ein Mach­t­un­gleich­ge­wicht zwi­schen Glo­ba­lem Nor­den und Süden (Glo­ba­le Gerech­tig­keit), wel­ches der Schlüs­sel­be­griff der Kli­ma­rah­men­kon­ven­ti­on der „gemein­sa­men, aber unter­schied­li­chen Ver­ant­wor­tung“ auf den Punkt bringt. Men­schen im Glo­ba­len Süden waren und sind über­wie­gend aus­ge­schlos­sen aus glo­bal-poli­ti­schen Ent­schei­dun­gen (Pro­zess-Gerech­tig­keit). Den­noch erle­ben sie stär­ke­re Aus­wir­kun­gen, die in unse­ren Ent­schei­dun­gen grün­den und sind zugleich auf Grund der kolo­nia­len Vor­be­din­gun­gen weni­ger resi­li­ent gegen die Kli­ma­wan­del­fol­gen. Den­noch ist die Aner­ken­nung post­ko­lo­nia­ler Effek­te in Deutsch­land und Euro­pa noch nahe­zu unsichtbar. 

Sozia­le Dimen­si­on: Auch die Unge­rech­tig­kei­ten inner­halb der Staa­ten des Glo­ba­len Nor­dens müs­sen drin­gend ein­be­zo­gen wer­den. Wäh­rend Unge­rech­tig­kei­ten im Zuge eines Genera­tio­nen­kon­flik­tes (zeit­li­che Ent­kopp­lung) in Dis­kus­sio­nen häu­fig the­ma­ti­siert wer­den, müs­sen wir auch die Unge­rech­tig­kei­ten auf Grund von Armut und wei­te­ren Dis­kri­mi­nie­run­gen ein­be­zie­hen. Men­schen, die von Armut betrof­fen sind, kön­nen sich kaum demo­kra­tisch betei­li­gen und sind daher eben­so von Ent­schei­dungs­fin­dun­gen aus­ge­schlos­sen (Pro­zess-Gerech­tig­keit). Ähn­li­ches gilt für die kli­ma­to­lo­gi­schen und öko­lo­gi­schen Aus­wir­kun­gen: von Armut betrof­fe­ne Men­schen leben meist in schlecht iso­lier­ten Woh­nun­gen und sind durch Hit­ze­wel­len stär­ker gefähr­det. Die­se Bei­spie­le sol­len ver­deut­li­chen, dass wir auch inner­halb des Glo­ba­len Nor­dens ganz unter­schied­li­che Betrof­fen­hei­ten und sozia­le Aus­schlüs­se fest­stel­len kön­nen. Hier soll­te unse­re Per­spek­ti­ve erwei­tert wer­den, sodass glo­ba­le Alli­an­zen und uni­ver­sal geteil­te Situa­tio­nen sicht­bar wer­den. So kön­nen wir auf ver­letz­li­che glo­ba­le Grup­pen, wie von Armut und Dis­kri­mi­nie­rung betrof­fe­ne Men­schen, auf­merk­sam machen.

Öko­no­mi­sche Dimen­si­on: Neben den kolo­ni­al gepräg­ten Wirt­schafts­sys­te­men, als einer der Grün­de glo­ba­ler Unge­rech­tig­kei­ten, sind auch die Unge­rech­tig­kei­ten des glo­ba­len Finanz­mark­tes als einem Haupt­trei­ber glo­ba­ler Unge­rech­tig­kei­ten her­vor­zu­he­ben. Er ist nahe­zu unkon­trol­liert von demo­kra­ti­schen Pro­zes­sen und wird durch den Wachs­tums­zwang des Kapi­ta­lis­mus und von spe­ku­la­ti­vem Gewinn­stre­ben getrie­ben, in denen die Unter- und Mit­tel­schich­ten im Glo­ba­len Nor­den benach­tei­ligt sind und die Bewoh­ner des Glo­ba­len Südens aus­ge­schlos­sen wer­den. Die Bekämp­fung der Kli­ma­kri­se wird daher ohne eine stren­ge Regu­lie­rung des Finanz­mark­tes nicht aus­kom­men — sei es bei der Finan­zie­rung der Mobi­li­täts­wen­de, Woh­nen als Men­schen­recht, Ener­gie­wen­de oder die oft ver­meint­lich zur glo­ba­len Gerech­tig­keit bei­tra­gen­de Ent­wick­lungs­zu­sam­men­ar­beit. Hier sind Finanz­markt­in­ter­es­sen aus­schlag­ge­bend, die dem sozia­len Aus­gleich und gerech­ten Umgang mit der Kli­ma­kri­se voll­kom­men entgegenstehen. 

3. Bei­spie­le im Kon­text von Kli­ma­kri­se, Dis­kri­mi­nie­rung und glo­ba­ler Gerechtigkeit

Die Nut­zung der Res­sour­cen Land und Was­ser (glo­ba­le Com­mons) sind ent­schei­dend für die mensch­li­che Ernäh­rung und Ent­wick­lungs­chan­cen. Zugang und Besitz sind aller­dings zuneh­mend unge­recht ver­teilt und daher Ursa­che von Armut und Kon­flik­ten. Im Fol­gen­den wird an den bei­den Bei­spiel­fel­dern „Land und Land­nut­zung“ und „Mee­res­spie­gel­an­stieg und Hoch­was­ser“ auf­ge­zeigt, wie sich Kli­ma­kri­se, Dis­kri­mi­nie­rung und glo­ba­le Gerech­tig­keit gegen­sei­tig beeinflussen.

3.1 Land und Landnutzung

Land und sei­ne Nut­zung sind ein zen­tra­les Ele­ment des geo­gra­phi­schen Mensch-Umwelt­sys­tems. Die Geo­gra­phie befasst sich seit jeher mit Land­nut­zung und deren Umwelt­wir­kun­gen sowie, im Sin­ne von Pro­zess­ge­rech­tig­keit, den Besitz- und Nut­zungs­ver­hält­nis­sen und der Inwert­set­zung von Land. Die unge­rech­te Ver­tei­lung von Land wird durch Land­an­eig­nung („Land­grab­bing“) ver­stärkt. Kein oder zu wenig Land­be­sitz ent­schei­den über sozia­le und wirt­schaft­li­che Zukunfts­chan­cen und damit über mög­li­che Armut, Hun­ger und Migra­ti­on. Zugang und Besitz von Land ist auch Ursa­che von Kon­flik­ten und Kriegen.

Die Zer­stö­rung von Wäl­dern und Natur­räu­men, wie Küs­ten­zo­nen, Fluss­au­en, Sümp­fen, Regen­wäl­dern und Moo­ren, ver­nich­tet Bio­di­ver­si­tät und Spei­cher von Treib­haus­ga­sen. Über­nut­zung von Grund­was­ser für Bewäs­se­rung und Indus­trie sowie fort­schrei­ten­de Wüs­ten­bil­dung durch Wald- und Wei­de­zer­stö­rung beschleu­ni­gen die Kli­ma­kri­se. Tra­di­tio­nel­le natur­na­he Land­nut­zung von Indi­ge­nen und Noma­den ver­mei­det dage­gen Wald- und Boden­ver­lus­te und ver­dient viel grö­ße­re Anerkennung.

Besitz von Land ist gere­gelt durch Land­rech­te. In Kolo­ni­al­zei­ten wur­den kom­mu­na­le Land­rech­te und indi­ge­ne Nut­zungs­rech­te abge­löst durch indi­vi­du­el­len Besitz mit Plan­ta­gen für Export­pro­duk­te und wei­ße Sied­ler zur Ver­sor­gung der kolo­nia­len Eli­ten. Seit meh­re­ren Jahr­zehn­ten führt der hohe Land­be­darf durch das glo­ba­le Wirt­schafts­wachs­tum, zum Bei­spiel für Palm­öl, Soja und Kau­tschuk, zu ver­mehr­tem Land­grab­bing und damit zur Spe­ku­la­ti­on mit Land als finan­zi­el­le Anla­ge­form. Land­ver­lust durch Roh­stoff­ge­win­nung, Infra­struk­tur­vor­ha­ben, Aus­wei­sung von Indus­trie­zo­nen oft ohne Umwelt­auf­la­gen, unge­steu­er­te Stadt­ent­wick­lung für die schnell wach­sen­den Mega­städ­te und inter­na­tio­na­le Tou­ris­mus­an­la­gen sind Bei­spie­le glo­ba­ler Unge­rech­tig­keit. Sie zer­stö­ren Natur­räu­me und klein­bäu­er­li­chen Land­be­sitz und damit fami­liä­re Exis­ten­zen. Nicht zuletzt scha­den sol­che Pro­zes­se auch in vie­len Aspek­ten dem Klima. 

Land­re­for­men, wie nach der Deko­lo­nia­li­sie­rung, waren oft wir­kungs­los, da sie umwelt­ver­träg­li­che vor­ko­lo­nia­le Land­be­sitz- und indi­ge­ne Nut­zungs­for­men nicht wie­der­her­stell­ten. Eine gerech­te Umver­tei­lung des Land­be­sit­zes erfolg­te post­ko­lo­ni­al fast nir­gends. Statt­des­sen beschleu­nig­te sich häu­fig die Land­kon­zen­tra­ti­on ins­be­son­de­re von wert­vol­lem Land für Bewäs­se­rung oder Sied­lung in Hän­den neu­er Eli­ten und ihrer ‘Geschäfts­part­ner’ aus dem Glo­ba­len Norden.

3.2 Mee­res­spie­gel­an­stieg und Hochwasser

Der Anstieg der glo­ba­len Durch­schnitts­tem­pe­ra­tur und die Kli­ma­kri­se haben regio­nal unter­schied­lich Ein­fluss auf den Was­ser­kreis­lauf. Durch ver­mehr­te Stark­re­ge­n­er­eig­nis­se und Glet­scher­schmel­ze kommt es in vie­len Welt­re­gio­nen zu Über­schwem­mun­gen und zu Mee­res­spie­gel­an­stieg. Ver­städ­te­rung sowie die damit ver­bun­de­ne Flä­chen­ver­sie­ge­lung inten­si­vie­ren die­se Hoch­was­ser­er­eig­nis­se. Um die Men­schen, die in den betrof­fe­nen Regio­nen leben, vor den Was­ser­mas­sen zu schüt­zen, bedarf es einer kommt vorraus­schau­en­den und inklu­si­ven Anpas­sungs­pla­nung, bei der vor allem die Inter­es­sen der beson­ders Betrof­fe­nen berück­sich­tigt wer­den. So ist bei allen Maß­nah­men zu beach­ten, dass sie kei­ne nega­ti­ven Kon­se­quen­zen in ande­ren Lebens­be­rei­chen mit sich brin­gen. Zum Bei­spiel stel­len Tal­sper­ren eine wich­ti­ge Maß­nah­me zum Schutz vor Über­flu­tun­gen dar, dür­fen aber nicht zur Ver­trei­bung der loka­len Bevöl­ke­rung füh­ren. Auch die durch den Mee­res­spie­gel­an­stieg ver­ur­sach­te Migra­ti­on von Kli­ma­f­lücht­lin­gen ist eine glo­ba­le Aufgabe. 

Auch im Rah­men der UN-Kli­ma­kon­fe­ren­zen muss durch die gerech­te Auf­tei­lung des CO2-Rest­bud­gets dafür gesorgt wer­den, dass die his­to­ri­sche Ver­ant­wor­tung der soge­nann­ten Indus­trie­staa­ten aner­kannt wird. Durch stär­ke­re Reduk­ti­on sei­ner Treib­haus­ga­se und Erstat­tung von Ver­lus­ten und Schä­den kann der glo­ba­le Nor­den die­ser Ver­ant­wor­tung gerecht wer­den und die regio­nal unter­schied­li­che Betrof­fen­heit berück­sich­tigt werden.

Durch eine ver­ständ­li­che und aus­ge­wo­ge­ne Kom­mu­ni­ka­ti­on kann das Wahr­neh­mungs­pro­blem, unter dem der Kampf gegen die Kli­ma­kri­se lei­det, besei­tigt sowie der Umgang mit der Kri­se ver­bes­sert wer­den. Die Bericht­erstat­tung muss auch deut­lich machen, wie die Kli­ma­kri­se glo­ba­le Benach­tei­li­gung ver­schärft, um die­ser begeg­nen zu können.

4. Fazit und Aus­blick für die Ange­wand­te Geographie

Die Ange­wand­te Geo­gra­phie muss sich mehr als bis­her in die not­wen­di­ge Kom­mu­ni­ka­ti­on zu Fol­gen der Kli­ma­kri­se, Dis­kri­mi­nie­rung und glo­ba­ler Unge­rech­tig­keit ein­brin­gen und aus Ver­ant­wor­tung und Wis­sen um die Aus­wir­kun­gen glo­ba­ler Zusam­men­hän­ge stär­ker als bis­her Posi­ti­on beziehen. 

Gera­de Geograph*innen kön­nen dar­auf auf­merk­sam machen, wie sich die Kipp­punk­te des Kli­ma­wan­dels auf die glo­ba­len Gemein­sphä­ren (Atmo­sphä­re, Mee­re, pola­re Eis­schil­de, Wäl­der und Moo­re) aus­wir­ken wer­den. Für zukunfts­ge­wand­te und gerech­tig­keits­ori­en­tier­te Ver­än­de­run­gen der raum­be­zo­ge­nen Pla­nung und Poli­tik, glo­bal als auch hier­zu­lan­de, soll­ten wir über­zeu­gend ein­tre­ten. Die Ange­wand­te Geo­gra­phie kann so durch ganz­heit­li­che Betrach­tung von Kli­ma­kri­se, Dis­kri­mi­nie­rung und Glo­ba­ler Gerech­tig­keit (inter-)nationale Regel­wer­ke mitgestalten.

Auch der Deut­sche Ver­band für Ange­wand­te Geo­gra­phie e.V. wird sich stär­ker den The­men Kli­ma­kri­se, Dis­kri­mi­nie­rung und glo­ba­le Gerech­tig­keit anneh­men. Ins­be­son­de­re Fachthe­men wie Flä­chen­ver­brauch, kli­ma­re­si­li­en­te Städ­te sowie nach­hal­ti­ge Regio­nal- und Ver­kehrs­pla­nung wer­den sich in der geo­gra­phi­schen Berufs­pra­xis ver­stärkt wie­der­fin­den müssen.

Für die Mit­glie­der des Deut­schen Ver­bands für Ange­wand­te Geo­gra­phie e.V. soll­te Acht­sam­keit im Hin­blick auf demo­kra­ti­sche Ent­schei­dungs­pro­zes­se und sozia­le Gerech­tig­keit lei­tend sein. Glo­bal bedeu­tet dies, dass Ange­wand­te Geograph*innen die Betrof­fe­nen des Glo­ba­len Südens unter­stüt­zen und glo­ba­le Gerech­tig­keit in allen Ent­schei­dun­gen durchsetzen. 


Autor*innen: 

Diet­mar Mir­kes, Simon Rei­chen­wall­ner, Aisha Salih, Andre­as Späth, Manue­la Vosen, Caro­lin Wicke und Ralf Wolff