Deutscher Verband für Angewandte Geographie e.V.

Die Innenstädte nach Corona: Akteursperspektiven. DVAG-Mittagsdiskussion im Rahmen der #GeoWoche2021

Kar­te nicht verfügbar

Datum/Zeit
Date(s) — 8. Okto­ber 2021
13:00 — 14:00

Kate­go­rien


Im Rah­men der #GeoWoche2021, dem “digi­ta­len Ersatz” für den Pan­de­mie-bedingt abge­sag­ten DKG 2021, bie­tet der DVAG täg­lich eine “Mit­tags­dis­kus­si­on” an, die allen Inter­es­sier­ten offen steht.  Am Frei­tag, 8.10., geht es um die Fol­gen der Coro­na-Kri­se für die Innenstädte.

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Die Innen­städ­te sind wäh­rend der Coro­na-Pan­de­mie „ein­fach her­un­ter­ge­fah­ren wor­den“, sowohl als Ein­kaufs- und Arbeits­ort als auch bezüg­lich ihrer Treff­punkt­funk­ti­on. Dies betrifft die Zie­le des inter­na­tio­na­len Städ­te­tou­ris­mus eben­so wie klei­ne länd­li­che Zen­tral­or­te: damit die Men­schen zur Kon­takt­ver­mei­dung wei­test­ge­hend zuhau­se blei­ben, ist auf behörd­li­che Anord­nung mit Aus­nah­me der „sys­tem­re­le­van­ten“ Ein­rich­tun­gen zur Grund­ver­sor­gung alles geschlos­sen wor­den: Han­del, Gast­stät­ten, Hotels, Dienst­leis­ter, Kul­tur­ein­rich­tun­gen und sogar Kitas, Schu­len und Uni­ver­si­tä­ten, teil­wei­se auch sozia­le Ein­rich­tun­gen wie die Tafeln und Beratungsangebote.

Mit Blick zunächst vor allem auf die wirt­schaft­li­chen Fol­gen des ers­ten Lock­downs hat­ten die DVAG-Arbeits­krei­se Ein­zel­han­del, Immo­bi­li­en, Wirt­schafts­för­de­rung und Stadt­ent­wick­lung im April 2020 begon­nen, sich 14-tägig im Rah­men von Online-Tref­fen über die sicht­ba­ren, die erwart­ba­ren und die even­tu­ell ver­meid­ba­ren Aus­wir­kun­gen die­ser Aus­nah­me­si­tua­ti­on aus­zu­tau­schen. Hier­aus ent­wi­ckel­te sich die DVAG-Zukunfts­werk­statt “Stadt, Immo­bi­li­en und Han­del“, die sich mit den viel­fäl­ti­gen Her­aus­for­de­run­gen der Innen­stadt­ent­wick­lung im Span­nungs­feld von Struk­tur­wan­del und Coro­na befasst, bereits über eine lan­ge Lis­te nam­haf­ter Refe­rie­ren­der ver­fügt und auch zukünf­tig fort­ge­führt wer­den wird.

In den mehr als 25 Tref­fen wur­den nicht nur eine gan­ze Rei­he von Erkennt­nis­sen über die bis­he­ri­gen und zukünf­ti­gen Pro­blem­la­gen der Innen­städ­te zusam­men­ge­tra­gen, son­dern es sind auch vie­le ver­schie­de­ne Akteu­re zu Wort gekom­men. Die Zusam­men­stel­lung die­ser Per­spek­ti­ven zeigt auf, wie die neue bzw. zu erwar­ten­de – nach wie vor kom­ple­xe – Situa­ti­on in den Innen­stadt­la­gen von den rele­van­ten Akteu­ren gese­hen wird und wie mit ihr umge­gan­gen wer­den kann, um das gemein­sa­me Ziel des Erhalts beleb­ter, viel­fäl­ti­ger Innen­städ­te im Sin­ne der euro­päi­schen Stadt zu verfolgen.

Die Erkennt­nis­se betref­fen zunächst den The­men­be­reich des Kon­sum- bzw. Ein­kaufs­ver­hal­tens der Bevöl­ke­rung: zum einen haben durch die vie­len geschlos­se­nen Läden nun noch mehr Kun­den die Vor­tei­le des beque­men Online-Shop­pings ken­nen­ge­lernt, zum ande­ren zieht man nun für den „gro­ßen Ver­sor­gungs­ein­kauf“ ange­sichts des Infek­ti­ons­ri­si­kos groß­zü­gig ange­leg­te Märk­te den beeng­ten klei­ne­ren Geschäf­ten vor und erle­digt die­sen ger­ne zügig und bequem an einem wohn­ort­na­hen, ein­fach erreich­ba­ren Ort im Sin­ne des „One-Stop-Shop­ping“, ohne zusätz­lich noch in der Innen­stadt bum­meln zu gehen. Mit Blick auf die wirt­schaft­li­chen Fol­gen, auf Kurz­ar­beit und Insol­ven­zen wird weni­ger Geld aus­ge­ge­ben. Zudem sind im wei­ter­hin rele­van­ten Home-Office kei­ne schi­cken Klei­der erfor­der­lich und das kul­tu­rel­le Leben, das Aus­ge­hen und die Events kom­men erst zöger­lich wie­der in Schwung: der Umsatz der typi­schen A‑La­gen-Sor­ti­men­te Klei­dung, Schu­he, Schmuck und Acces­soires lei­det darunter.

Dies bringt uns zu den Erkennt­nis­sen mit Bezug auf die Innen­stadt­händ­ler, die durch die lan­gen Pha­sen der Laden­schlie­ßun­gen, durch die Per­so­nen­be­gren­zung im Geschäft und durch vie­le wei­te­re Beschrän­kun­gen erheb­li­che Umsatz­ein­bu­ßen zu ver­zeich­nen hat­ten – bei wei­ter­hin lau­fen­den Belas­tun­gen durch Mie­te und Neben­kos­ten, Per­so­nal­kos­ten und Ver­bind­lich­kei­ten durch lang­fris­tig im Vor­aus bestell­te Ware! Dar­über hin­aus ver­la­gern sich rapi­de wach­sen­de Umsatz­an­tei­le auf den Online-Han­del. Dies mag für die Filia­lis­ten oder Fran­chise-Neh­mer schon lan­ge geüb­te Rou­ti­ne sein, aber beim klein­tei­li­gen inha­ber­ge­führ­ten Han­del abseits der abso­lu­ten A‑Lagen stellt die Digi­ta­li­sie­rung durch­aus für vie­le Händ­ler eine Her­aus­for­de­rung dar – häu­fig zusätz­lich zu der Suche nach einem Nach­fol­ger. Geschäfts­auf­ga­ben kön­nen die Fol­ge sein. Ande­re Ein­zel­händ­ler diver­si­fi­zie­ren ihre Ver­kaufs­ka­nä­le und eta­blie­ren Online-Shops, stär­ken ihre Prä­senz in den sozia­len Medi­en oder koope­rie­ren z.B. mit loka­len Rad­lo­gis­ti­kern für das Ange­bot von Lie­fer­ser­vices, um ihre Geschäf­te durch die Kri­se zu brin­gen. Einer­seits kön­nen Mög­lich­keits­fens­ter für Trans­for­ma­tio­nen von Geschäfts­mo­del­len und ‑räu­men ent­ste­hen, ande­rer­seits kön­nen Leer­stän­de so genann­te Tra­ding-Down-Spi­ra­len in Gang set­zen. Zeich­nen sich Pro­ble­me in den Innen­stadt­la­gen ab, wan­dern auch der filia­li­sier­te Ein­zel­han­del und die Nah­ver­sor­ger zuneh­mend in Fach­markt­zen­tren bzw. Han­dels­ag­glo­me­ra­tio­nen abseits der Innen­städ­te ab, wo sie moder­ne Laden­flä­chen zu oft nied­ri­ge­ren Mie­ten, eine leich­te Erreich­bar­keit und ein gutes Park­platz­an­ge­bot sowie Syn­er­gien mit den ande­ren Händ­lern vorfinden.

Ange­sichts des­sen wird offen­sicht­lich, dass die Immo­bi­li­en­ei­gen­tü­mer ins­be­son­de­re in ohne­hin eher schwa­chen Ein­kaufs­la­gen oder auch in klei­ne­ren und mit­tel­gro­ßen Städ­ten bereits mit erheb­li­chen Nach­ver­mie­tungs­pro­ble­men zu kämp­fen haben. Miet­preis­sen­kun­gen rei­chen oft­mals nicht aus, um die Mie­ter zu hal­ten. Der HDE erwar­tet mit­tel­fris­tig eine grö­ße­re Wel­le von Laden­schlie­ßun­gen und Geschäfts­auf­ga­ben sind auch in der Gas­tro­no­mie zu erwar­ten, denen ins­be­son­de­re das Mit­tags­ge­schäft durch die Büro­an­ge­stell­ten fehlt. Da das Home-Office viel­fach posi­ti­ve Sei­ten auf­weist, kehrt die Büro­nut­zung nur zöger­lich in die Innen­stadt­la­gen zurück, so dass auch die obe­ren Geschos­se kei­ne zuver­läs­si­gen Cash­flows mehr gene­rie­ren. Mit Blick auf die aktu­el­len Ent­wick­lun­gen fin­den der­zeit star­ke Abwer­tun­gen in der Immo­bi­lien­be­wer­tung statt, die den Spiel­raum der Eigen­tü­mer für ban­ken­fi­nan­zier­te Umbau­ten erheb­lich ein­schrän­ken – und häu­fig ist auch trotz Neu­kon­zep­tio­nie­rung oder sogar Umbau kein sub­stan­zi­el­ler Anstieg der Immo­bi­li­en­wer­te zu erwar­ten. Den­noch ist es das Gebot der Stun­de umsetz­ba­re, markt­ge­rech­te Nut­zungs­al­ter­na­ti­ven zu eru­ie­ren, auch weil vie­le Umnut­zungs­ideen bau­lich, bau­recht­lich und wirt­schaft­lich nur bedingt rea­lis­tisch erscheinen

Hier ist nun die Wirt­schafts­för­de­rung bzw. die Ver­wal­tung gefragt, die Ideen auf­zu­grei­fen und die Akteu­re rasch zusam­men­zu­brin­gen, damit gemein­sam trag­fä­hi­ge, orts­an­ge­pass­te Kon­zep­te ent­wi­ckelt wer­den kön­nen. In einer klei­ne­ren Stadt — sei es ein Mit­tel­zen­trum oder ein Grund­zen­trum — hat man hier den Vor­teil der bes­se­ren per­sön­li­chen Bekannt­heit und der Über­sicht­lich­keit des Wett­be­werbs. Doch gleich­zei­tig sind hier die Teams in den Ver­wal­tun­gen rela­tiv klein, die bis­lang domi­nie­ren­den Auf­ga­ben (fach­lich, per­so­nell und finan­zi­ell) wer­den in die­sen unru­hi­gen Zei­ten nicht gera­de gerin­ger und für vie­le der neu­en Auf­ga­ben ist man noch nicht gut auf­ge­stellt. Allein die Akqui­se von För­der­mit­teln kann ein sehr kom­ple­xes The­ma sein — von bau- und pla­nungs­recht­li­chen Fra­gen ganz zu schweigen.

Die Pro­ble­me der Innen­städ­te durch die Coro­na-Pan­de­mie zeig­ten sich in den inner­städ­ti­schen Shop­ping-Cen­tern unmit­tel­bar und qua­si wie durch ein Brenn­glas ver­stärkt: hier geht es schließ­lich, bis auf den immer häu­fi­ger vor­zu­fin­den­den Lebens­mit­tel­voll­sor­ti­men­ter als Anker­mie­ter, fast aus­schließ­lich um genau die­je­ni­gen Geschäf­te, die eben nicht “sys­tem­re­le­vant” sind. Auch hier gab es oft Waren­häu­ser als Anker­mie­ter, die nun gro­ße Lücken hin­ter­las­sen. Zudem stellt in den Ein­kaufs­zen­tren (oft noch aus­ge­präg­ter als in den inner­städ­ti­schen Geschäfts­kern­la­gen) der Sek­tor Mode/Bekleidung/Schuhe die domi­nie­ren­de Leit­bran­che dar. Gera­de die­se, durch zuneh­men­de Online-Ein­käu­fe ohne­hin schon seit län­ge­rer Zeit beein­träch­tig­ten Geschäf­te haben durch die pan­de­mie­be­ding­ten Schlie­ßun­gen beson­ders gelit­ten und ste­hen vor einer unge­wis­sen Zukunft. Für vie­le innen­stadt­in­te­grier­te Ein­kaufs­zen­tren, Gale­rien und Pas­sa­gen ist nun eine kon­zep­tio­nel­le Über­ar­bei­tung not­wen­dig, was Cen­ter-Manage­ment, Eigen­tü­mer­ge­sell­schaf­ten und Mie­ter stark fordert.

Die DVAG-Mit­tags­dis­kus­si­on wird nicht nur die Kom­ple­xi­tät der Pro­blem­la­ge dar­stel­len, son­dern die­se durch exem­pla­risch ver­tre­te­ne indi­vi­du­el­le Per­spek­ti­ven einer Band­brei­te von Akteu­ren, die es zur Bewäl­ti­gung der alten und neu­en Her­aus­for­de­rung in den Innen­städ­ten “an einen Tisch zu brin­gen” gilt, in einer mode­rier­ten Dis­kus­si­on ver­deut­li­chen. Zudem sind nicht nur deren Sicht­wei­sen und Moti­va­tio­nen viel­fäl­tig, son­dern auch die jewei­li­gen Rah­men­be­din­gun­gen vor Ort: so wei­sen die Städ­te je nach Grö­ßen­klas­se nicht nur Unter­schie­de bezüg­lich Lage­struk­tur, Bran­chen-Mix und Ver­sor­gungs­funk­ti­on für das Umland auf, son­dern die bereits vor Ort inte­grier­ten wei­te­ren Nut­zun­gen und Funk­tio­nen sowie städt­bau­li­che und archi­tek­to­ni­sche Aspek­te neh­men Ein­fluss auf die Resi­li­enz gegen­über den aktu­el­len Ent­wick­lun­gen. Und last but not least sind die Pro­blem­si­tua­tio­nen natür­lich auch unter­schied­lich weit fortgeschritten.

Durch die Dis­kus­si­on soll letzt­lich ein Ver­ständ­nis für die indi­vi­du­el­len — und zum Teil manch­mal auch kon­trä­ren — Sicht­wei­sen der ein­zel­nen Betei­lig­ten vor dem Hin­ter­grund immer wie­der ein­zig­ar­ti­ger Her­aus­for­de­run­gen geweckt wer­den. Die Akteurs­per­spek­ti­ve soll expli­zit her­aus­stel­len, dass es in der „inner­städ­ti­schen Rea­li­tät“ oft ganz prag­ma­tisch auf den Ein­satz ein­zel­ner Per­so­nen als „Moto­ren“ ankommt — aus wel­cher per­sön­li­chen Moti­va­ti­on auch immer!

Die betei­lig­ten Personen:

Dr. Mai­ke Dzio­m­ba, AK Immo­bi­li­en im DVAG e.V. / redos insti­tu­tio­nal GmbH, Hamburg

Dr. Jan Schle­sin­ger, AK Ein­zel­han­del im DVAG e.V. / Wirt­schafts­för­de­rung Frankfurt/M.

Andre­as Hau­brichs, AK Wirt­schafts­för­de­rung im DVAG e.V. / Wirt­schafts­för­de­rung Werdohl

Kers­ten Peter, AK Ein­zel­han­del im DVAG e.V. / Uni­bail-Rodam­co-West­field,  Düsseldorf

Dr. Alex­an­dra Appel / Juli­us-Maxi­mi­li­ans-Uni­ver­si­tät Würzburg

Dr. Sina Harda­ker / Juli­us-Maxi­mi­li­ans-Uni­ver­si­tät Würzburg

Die­ter Bul­lin­ger / debe­con GmbH, Lutzenberg

Andre­as Rie­per / Lehr­be­auf­trag­ter Uni­ver­si­tät Ham­burg sowie Leu­pha­na Uni­ver­si­tät Lüne­burg und Hono­rardo­zent ISM, Cam­pus Hamburg

Ines Stad­ler / Wirt­schafts­för­de­rung Gemein­de Eching

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Ergebnisse der Mitgliederbefragung des DVAG e.V.: Zur berufliche Situation von Geographinnen und Geographen

Im Früh­jahr 2019 wur­de im Auf­trag des Vor­stands des DVAG e.V. eine Mit­glie­der­be­fra­gung zur beruf­li­chen Situa­ti­on ange­wandt täti­ger Geo­gra­phIn­nen durch­ge­führt. Mit der Durch­füh­rung wur­de Vanes­sa R. Hün­ne­mey­er beauf­tragt, bei der sich der Vor­stand herz­lich für die sehr gute Zusam­men­ar­beit bedankt.…

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